Fairer Kaffee, Faires Unternehmen? Die Marke Doi Chaang Coffee

Auf der Suche nach Alternativen zum Kapitalismus, wird das Dorf Doi Chaang im Norden Thailands oft als Beispiel bemüht. Ab den 80er Jahren trug sich dort ein Wandlungsprozess zu an dessen Ende “Entwicklung für alle” stand. Die Einwohner entkamen der Armut – Kaffee wurde zum geflügelten Wort und sprudelnder Geldquelle. So die offizielle und gern erzählte Geschichte. Doch wer profitiert wirklich von “Doi Chaang Coffee”? Und wer wurde auf dem Weg vergessen? Kann das Geschäftsmodell eines kleinen Dorfes eine Antwort liefern, wie soziale, faire und nachhaltige Konditionen und Profit nebeneinander existieren können? Studierende der Uni Bonn versuchten, in Nordthailand Antworten auf diese Fragen zu finden.

Kaffee und Doi Chaang sind heutzutage nicht mehr ohneeinander zu denken. Nahezu jeder Haushalt in dem nordthailändischen Ort ist abhängig vom Anbau, der Produktion oder dem Verkauf von Kaffee. Ursprünglich lebten die Dorfbewohner vom Schlafmohn-Anbau zur Opium-Gewinnung, bevor diese in den 60er Jahren staatlich verboten wurde. Die Regierung mühte sich, zunächst ohne großen Erfolg, den Anbau von Cash Crops als neue Einkommensquelle zu fördern. Erst mit der Kaffeeproduktion ließen die Dorfbewohner die Subsistenzwirtschaft und die Armut hinter sich. Mit dem Kaffee-Boom in den 80er Jahren siedelten sich viele Akha in Doi Chaang an und lösten die Lisu als ethnische Mehrheit ab. Heute leben über 10.000 Menschen in circa 1000 Haushalten in und um Doi Chaang. Der Lebensstandard vieler Menschen verbesserte sich. Ein zweites Geschäftsfeld in Doi Chaang ist der Tourismus. Lokales Wissen, Lebensweisen und die Kultur der Akha ziehen Besucher an. Seit circa zehn Jahren kommen außerdem verstärkt Arbeitsmigranten aus Myanmar für die saisonale Arbeit auf den Kaffeeplantagen nach Doi Chaang.

Monopole und Vetternwirtschaft

Die Klassen in Doi Chaang bilden Firmen, Bauern und Arbeiter. Sie stehen in einer Hierarchie und einem Geflecht von Machtstrukturen zueinander. Zwischen den Firmenmonopolen in Doi Chaang und den Landwirten besteht ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis. Oft sind ganze Familien bei einer Firma angestellt. Von Subsistenzfarmern wurden sie zu Lohnarbeitern. Die Bedingungen diktieren die Firmen. 70 Prozent der Bauern in Doi Chaang sind Mitglied bei der Doi Chaang Company (DCC) und abhängig von vertraglich geregelter Landwirtschaft. Für ihr Einkommen und ihre Arbeitsbedingungen macht es einen entscheidenden Unterschied, ob die Landwirte verwandtschaftliche Beziehungen in die Firmen haben. Bauern ohne diese Beziehungen beklagen ausbleibende Zahlungen und Abhängigkeit von der DCC, während jene mit Verwandtschaftsbeziehungen ihren Lohn offenbar regelmäßig erhalten und mit der Arbeit zufrieden sind. Wiederum abhängig von den Bauern sind Arbeitsmigranten z. B. aus Myanmar. Oft haben diese Migranten keine legale Arbeitserlaubnis und somit keine formellen Rechte, auf die sie bestehen können. Sie werden schlechter bezahlt als lokale Arbeiter*innen und können jederzeit in polizeiliche Kontrollen geraten.

Soziale Unternehmen?

Heute gibt es in Doi Chaang 12 große Kaffeefirmen. Sie alle begannen einst als Familien- und Gemeindeunternehmen. Auch heute sei dies noch der Leitgedanke, nach dem die Firmen arbeiten, erzählen uns die Eigner. Sie betreibe ihr Geschäft “sozial und familiär”, sagte uns Miga Saedoo, Direktorin der DCC. Ähnlich äußerte sich Miyo Thanida Phisailert, verantwortlich für das Marketing der Doi Chaang Coffee Farm, eines weiteren ortsansässigen Kaffeeunternehmens. Sie ließe alle Farmer, die für sie arbeiten den Kaffee kostenlos trinken denn sie wolle, dass sie das Produkt kennen und sich ihm verbunden fühlen. Vom Anbau bis zur Produktion liege jeder Schritt in den Händen ihrer Familie. Kaffee sei mehr als eine Ware, so Miyo. Der Kaffee erzähle ihren Kunden, wer sie sei.

Es seien die Firmen gewesen, die das Wissen über Kaffee in das Dorf gebracht hätten, so Miga Saedoo von DCC. Zuerst habe Kaffee nur einen sehr niedrigen Verkaufspreis erzielt, erst später sei dieser gestiegen. Die Regierung habe erklärt, wie man Kaffee anbaue, aber nichts über das Marketing und den Verkauf. Auf die Frage hin, wer die Eigentümer von DCC seien, erklärt Miga uns, die Firma gehöre allen Bewohnern von Doi Chaang. Eine klare Antwort bleibt sie somit schuldig. Der Profit könne nicht in Geld bemessen werden, sondern darin, eine gute Umwelt und Gemeinschaft zu bilden. “Wenn du investierst, kreierst du ein soziales Unternehmen und gesellschaftliche Verantwortung.”, so Miga Saedoo. Die Farmer seien Anteilseigner an der Firma, auch wenn dies nicht formell auf Papier geschrieben stehe. Um Eigentum zu definieren, gebe es verschiedene Wege. Andere Unternehmen sehe sie nicht als Konkurrenten, eher stehe DCC in Konkurrenz zu sich selbst, die Qualität stetig zu verbessern.

Nachhaltigkeit und die Qualität des Kaffees, seien die obersten Ziele von DCC. Als Unternehmen folgt DCC den Standards von organischen Zertifikaten und Fair Trade. Die Symbole und Labels dieses Anspruchs sind prominent auf dem Firmengebäude und Verpackungen platziert. Daneben investiert DCC in die Bildung und Gesundheit der Beschäftigten und in die Umwelt. Von jedem verkauften Becher gehen 30 Prozent in die Doi Chang Foundation, um soziale Projekte zu erhalten und auszubauen.

Fairer Handel?

Im Gegensatz zu DCC, die offensiv mit Fair Trade Zertifikaten wirbt, sieht Miyo von der Doi Chaan Coffee Farm keinen Anlass, sich um ein teures und aufwendiges Zertifikat zu bemühen. Bei den Kunden würde keine Nachfrage bestehen. Auch wenn es kein Problem wäre, ein Zertifikat zu bekommen, investiere sie lieber in das Unternehmen. Jeder habe zudem eine andere Meinung, was “organisch” und “bio” genau bedeuten.

Viele Landwirte scheinen ebenfalls nur eine verschwommene Idee davon zu haben, was Fair Trade bedeutet. Darauf angesprochen erwiderte beispielsweise Abeno, der ehemalige Dorfvorsteher, dass das Unternehmen verspreche, die Gewinne zur Hälfte mit den Landwirten zu teilen. Aber er wisse gar nicht, wie hoch die Einnahmen der Firma seien und wie hoch der Anteil, den man ihm auszahle. Er glaube nicht, dass die Firma tatsächlich nach Fair Trade Standards arbeite. Vielen anderen Bauern scheint es ähnlich zu gehen. Die Bedeutung von Fair Trade ist für sie zweitranging beziehungsweise nicht klar. Einige nutzen organischen, andere synthetischen Dünger. Pestizide werden nicht verwendet. Wenn Landwirte mit den Unternehmen einen Vertrag abschließen, müssen sie bestimmte Voraussetzungen bezüglich der Qualität erfüllen. Andernfalls kauft die Firma ihre Kaffeebohnen nicht. Finden sich chemische Rückstände in den Bohnen, ist dies ein Ausschlusskriterium. Darüber hinaus scheint es vielen Bauern an Wissen und Einschätzungsvermögen zu fehlen, um zu beurteilen, wie gut ihr Kaffee ist. Sie sind abhängig vom Urteil der Firma, die die Qualität nach eigenen Angaben regelmäßig prüft. Von Landwirten hingegen hören wir, dass es keine regelmäßigen Kontrollen gäbe.

Zu den Bedingungen zwischen den Kaffeebauern und den Firmen gehört, dass die Bauern entscheiden, an welche der Firmen sie verkaufen. Doch aufgrund der Monopolstellung ortsansässiger Firmen und informeller Absprachen, scheint dies nur dahin gesagt. Die Felder der Bauern müssen außerdem in einer bestimmten Höhe liegen und innerhalb des Dorfes Doi Chaang. Was die Qualität außerdem sichere, so DCC-Direktorin Miga, sei die soziale Kontrolle im Dorf durch die Verwandtschaft.

Preise und Gewinne

Wie fair ist das? Seit dem letzten Jahr warten viele der Farmer in Doi Chaang auf ihr Geld. Ihre Einkommen sinken und werden nicht mehr regelmäßig ausgezahlt. Die Unternehmen verweisen auf ihre Abhängigkeit von den Preisen am Markt und nennen eine schlechte Qualität der Bohnen als Grund für sinkende Preise. Wieder zeigt sich die Wissenslücke zwischen Farmern und Unternehmen: Erstere können nicht beurteilen, ob die Behauptung, dass ihre Bohnen von minderer Qualität sind, wahr ist. Hinter den niedrigen Preisen vermuten sie die Praxis einiger Personen, Doi Chaang-Bohnen mit Bohnen aus anderen Orten zu vermischen. So sinkt die Qualität und mit ihr der Preis.

Zu den Farmern, die nicht bezahlt wurden und denen das Geld ausgeht, gehört auch Abeno. Während einer Gruppendiskussion mit Landwirten hörten wir dieselben Beschwerden auch von weiteren Personen. Um der Abhängigkeit zu entkommen suchen sie neue Märkte und andere Kunden als die ortsansässigen Firmen. Doch die abgeschiedene Lage von Doi Chaang und das fehlende Wissen über Marketing und Verkauf erschwert ihnen dies. Abeno hat – im Gegensatz zu vielen anderen – eine eigene Röstmaschine und kann den gesamten Prozess der Kaffeeproduktion abdecken. Er verkauft sein Produkt, mit Hilfe seiner Tochter Jo Mei, nach Bangkok und direkt zu Kunden. So kann er zum Teil ausgleichen, dass die in Doi Chaang ansässigen Firmen ihm für seine Bohnen nur einen niedrigen Preis zahlen bzw. der Bezahlung säumig sind.

Jo Mei bestätigt uns, dass die Firmen den Landwirten erzählen, die Qualität ihrer Bohnen sei schlecht und sie damit einen niedrigen Preis legitimieren. Es fehle den Bauern an Wissen und Geld, um sich wie Abeno eine eigene Röstmaschine zu kaufen oder Direktkunden zu finden.

DCC-Direktorin Miga erklärt uns wiederum, Doi Chaang Coffee sei kein Produkt für den Massenmarkt, sondern eine spezielle Sorte. Dies rechtfertige, dass man einen höheren Preis verlange. Doch wenn der Marktpreis niedrig sei, könnten auch die Unternehmen daran nichts ändern. Ihr normales Vorgehen sei es, zuerst Geld zu sammeln und es dann den Farmern zu überweisen. Die Zahlung erfolge nicht in bar und der heutige Verkaufspreis sei verglichen mit den Anfangstagen sehr hoch. Es liege in der menschlichen Natur, dass die Farmer immer mehr Gewinn machen wollen. DCC habe die Marktmacht, den Preis für Kaffee in Doi Chaang zu bestimmen. Die anderen Firmen würden ihren eigenen Preisen und Konditionen folgen.

Schwache Verhandlungsmacht der Bauern

Die Stimmen zu Fair Trade in Doi Chaang klingen sehr verschieden. Es gibt kein klares Verständnis von “Fair Trade und Bio”. Von Firmen wie DCC wird Fair Trade als Marketing-Instrument genutzt, andere Unternehmen wie die Doi Chaang Coffee Farm messen den Labels weit weniger Wert bei. Generell aber ist die Konnotation nachhaltig und fair Teil der scheinbaren Erfolgsgeschichte um Doi Chaang. Die Selbstdarstellung als soziales und nachhaltiges Familienunternehmen soll das Bild einer fairen Marke bedienen. Die Bedingungen des Kaffeeanbaus und Qualität des Produkts scheinen dem zu entsprechen, doch bei vielen Angestellten kommt weder vom Profit noch vom sozialen Gedanken etwas an. Sie sind abhängig, werden unzureichend informiert und erhalten keine faire Bezahlung.

Bereits in der Vergangenheit gab es Versuche, eine Interessensvertretung der Bauern zu etablieren. Aktuell fordern die Bauern nicht gemeinsam ihre Rechte ein, sind nicht organisiert. Erschwert wird ihre Organisation dadurch, dass viele in Doi Chaang verwandtschaftliche Bande in die Firmen hinein haben und mit ihrer Situation zufrieden sind. Sie haben keinen Grund, sich gegen die eigene Familie zu stellen, um Gerechtigkeit für den Nachbarn zu erwirken.

Die starke Position der Kirche könnte hier eine Mittlerfunktion einnehmen, um Farmer mit ähnlichen Interessen und Problemen miteinander in Kontakt zu bringen. Das angedachte Farmer Netzwerk wurde bereits von christlicher Seite unterstützt. Dies könnte ein Weg sein, damit in Doi Chaang faire Bedingungen für alle einkehren. Eine weitere Perspektive auf Doi Chaang ist die offensichtliche Exotisierung der Einheimischen. Es wird offen mit der Akha Kultur geworben, auf den Kaffee-Verpackungen sind sie in traditionellen Kleidern abgebildet. Es stellt sich die Frage, ob diese koloniale Verklärung und Reduzierung der Menschen in Doi Chaang auf kulturelle Stereotype für uns als Verbraucher mit Vorstellungen von Fairness, Nachhaltigkeit und Gleichberechtigung übereinstimmt.

Der Artikel basiert auf einer mehrtägigen Feldforschung im Rahmen der europäischen Summer School “Knots”. Das Projekt ist der Versuch, in einem interkulturellen Umfeld transdisziplinäre Forschung zu trainieren. Die Autorin hatte im Rahmen des EU-geförderten Project Knots die Möglichkeit, sich vor Ort ein Bild der aktuellen Lage zu machen.

Eva Kunkel